Die Arbeit im Team und mit den Einheimischen habe generell als wirkungsvoll, lösungsorientiert und ertragsreich wahrgenommen.

Die Vertreterinnen der NGO Nešto Više bildeten meine – auch örtliche – Basis, Ausgangsposition und ersten TüröffnerInnen. Ihre tatkräftige Unterstützung und Flexibilität habe ich stets zu schätzen gewusst, und die von ihnen auf ihren virtuellen Netzwerken, insbesondere Facebook, verbreitete inspirierende Energie für das Projekt wirkte bei vielen Interessierten bereits im Vorfeld meiner Gespräche ansprechend. Nešto Više ist hier einer der inspirierendsten Vorreiter in B&H.

 

Auch habe ich die zahlreichen weiteren Erfahrungen etwa im direkten Interview-Austausch mit den MeinungsträgerInnen und Praktikern vor Ort und deren Offenheit genossen. Von ihnen haben sich ein paar nach dem Interview bei mir noch gemeldet und ihr tatkräftiges Interesse am weiteren Ausbau des Netzwerkes bekundet.

Mein aus B&H betrachtet «ausländisches» Bosnisch mit kroatischem Einschlag hat Hemmschwellen abgebaut und einen natürlichen Zugang zu offenen Gesprächen gefördert.

 

Geografisch besehen ist B&H teils stark zerklüftet. Seine vielen serpentinen Strassenverhältnisse lassen einen schnellen Sprung in eine nächste grosse Stadt oder Ortschaft nur schwer zu. Gesprächstermine haben darauf Rücksicht zu nehmen und sind dadurch regelmässig mit Übernachtungen bei InterviewpartnerInnen oder anderen Lokalen verbunden. Ein herzlicher Willkommensgruss jedoch hat die Anstrengungen gelindert.

 

Vieles – von der Projektentwicklung über das Kochen einheimischer teils wildwachsender Gemüsesorten und Pflanzen bis zur Fähigkeit unter Menschen Brücken zu schlagen, welche seelisch verwundet und misstrauisch sind - hat mich mit den Interviewten verbunden. Dazu gehört eine ausgesprochene Sensibilität für Themen wie Achten und Respektieren der Ethnie, der Religion und des persönlichen Hintergrunds des Gegenübers.

In B&H spielen kulturelle Unterschiede bei der Kommunikation vor allem seit dem Krieg eine enorme Rolle, wie sie aus der Schweiz heraus kaum vorstellbar sind.

Noch immer gilt BH als getrenntes und künstlich am Daytoner Reissbrett konzipiertes entstandenes Land von «Bosniern und Herzegowienern», welche sich in Bosniaken, Kroaten und Serben unterteilen oder in eine der 17 anerkannten Minderheiten mit drei Standartsprachen in kyrillischer und lateinischer Schrift. Nicht zu vergessen sind die politischen Teilgebiete des Bundesstaates wie die Republik Srpska, die Föderation Bosnien und Herzegowina und den Distrikt Brcko als Sonderverwaltungsgebiet, was B&H das Kompliment des «kompliziertesten Regierungssystems der Welt» beschert.

So besehen, unterscheiden sich Wahrnehmung über das politische System und die Lebenseinstellung erheblich, ob ich ein Interview mit einem früheren General oder einer jungen Familie führe. Der Grad der Korruption und Wandlungs-Unfähigkeit des Staates wird von den Interview-PartnerInnen einheitlich als sehr hoch bezeichnet, hingegen aus verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlich geschildert.

 

Und gerade deshalb spielt die reproduktive, naturnahe Landwirtschaft als alle Beteiligten betreffenden Bezugspunkt eine herausragende Rolle. Diese Brückenfunktion - über die Unterschiede statt Gemeinsamkeiten betonenden und vorgeschobenen kulturellen, religiösen und geschichtlichen Verschiedenheiten hinweg – könnte das vorliegende Projekt erfüllen: richtig aufgegleist und mit tatkräftiger, fachkundiger Ko-Kreation durch zahlreiche Kreise in B&H, im Balkan, in Europa und insbesondere auch in der Schweiz.

 

Mirela Simaga,

Mostar, 27. Juni 2019